Fett bist du geworden – mein Leben als plus, plus, plus size Model
Ich sitze schluchzend auf dem Boden. Die Bastelschere immer noch in der Hand. Um mich herum liegen dicke Haarsträhnen.
Immerhin habe ich das im Griff. Ja, scheiße man ja, wenn ich es mir so überlege, war das sehr erwachsen von mir. Würde jemand, der zu exaltierten Gesten neigt, sich etwa um Spliss kümmern? Ich meine nicht. Und doch erinnert mich diese Situation stark an mein 5-Jähriges ich, als ich mir einen scheußlichen Mikro-Pony geschnitten hatte, nur weil Kathrin meinte, dass ich ohne blöd aussehe. Sie hatte Unrecht. Mit Mikro-Pony sah ich blöd aus.
Aber das jetzt ist eine ganz andere Situation, wenn auch die Tatwaffe (meine verklebte und stumpfe Bastelschere) gleich geblieben ist.
Und so raffe ich mich auf und räume die Bastelschere wieder weg.
“Gut siehst du aus“, nicke ich augenzwinkernd meinem Spiegelbild beim Vorbeigehen zu. „Der Longbob steht dir, frech und doch süß.“
Nein! Tut er nicht.
Und ich werde erst in einem Video, das Tage darauf viral gehen wird, merken, dass ich mir bei meiner absolut erwachsenen Aktion die Haare schief geschnitten habe. Gut, dass ich am Rücken keine Augen habe, da muss ich diese Katastrophe immer hin nicht ständig sehen.
Leider ist das nicht bei all meinen Problemzonen so!
Denn…ich habe zugenommen.
Ich würde jetzt gerne sagen „ich komme nicht drum rum euch das zu erzählen“, aber bei meiner aktuellen Körperfigur bezweifle ich, dass noch viel um mich „drum rum“ kommt. Doch nüchtern betrachtet, ist RUND eine Form. Demnach bin ich in Form.
Und zu meiner Verteidigung, ich habe heute schon Sport gemacht….so 2-3 Rittersport-Tafeln.
Aber genug mit den Dicken-Witzen und meine paar Kilos, die ich zu viel habe – denn, ich habe es wahrlich schon schwer genug!
Aber es ist ok so. Immer heißt es, man soll zu seinem Körper stehen, wahre Schönheit kommt von Innen und dennoch lüge ich, wenn es um mein Gewicht geht. Gut wer tut das nicht, sich 2-3-4….27 Kilo leichter zu mogeln?
Aber ich wollte heute mal mit Eigenarten, die ich seit dem entwickelt habe, aufräumen. Ja, dick sein behindert mich im Alltag. Nur eben nicht so wie man denkt. Es ist nicht so, dass ich nicht zu Dates eingeladen werde oder gerne meine Freundinnen wieder sehen oder eine coole Party besuchen würde. Mein Nicht-Erscheinen resultiert auch nicht daraus, dass ich körperlich einfach nicht in der Lage bin, so weit zu gehen und sonst schweißgebadet ankäme….wenn ich überhaupt ankäme.
Und keine Sorge, ich bin auch nicht auf dem Weg verloren gegangen und wenn doch, könntet ihr ganz leicht meiner Krümelspur folgen. Nicht ganz so romantisch wie bei Hansel und Gretel (die Kinder sollten von der Hexe gefressen werden und wurden von den Eltern im Wald ausgesetzt; ich glaube meine Vorstellung von Romantik sollte ich mal überdenken). Meine Krümelspur würde wahrscheinlich aus den Zutaten eines guten, kölner Döners bestehen.
Ich komme nicht, weil ich mich unwohl fühle in meiner Haut…und der wärmenden Fettschicht darunter.
Aber manchmal muss man raus. Und ich meine damit nicht die langen, nächtlichen, romantischen Spaziergänge…zum Kühlschrank. Sondern wirklich raus…in die unbarmherzige Welt, die jeden Menschen deinen Weg kreuzen lässt, den du gerade absolut nicht sehen willst. Einfach weil sie dich nicht sehen sollen…so, wie du jetzt eben aussiehst!
Und Kaufgrund Nummer 1 bezüglich Schuhe, dass sie einem IMMER passen und somit ein Leben lang bleiben. Bullshit! Denn ratet, wer gerade die Reste eines Reißverschlusses in den Händen hält? Süße Stiefeletten sind eben nicht mehr, wenn das Ding, dass man lieblos „Knöchel“ schimpft, eben keinen Knöchel mehr preisgibt.
Und keine Sorge, das wird kein hetzerischer Beitrag über die schlimme Beleuchtung in den H&M Umkleidekabinen, der Zug ist schon längst abgefahren. Und was meint ihr, wieso Online-Shopping überhaupt erfunden wurde? Zuhause hört dich niemand weinen und du kannst danach stolz erzählen, dass du DIESE EINE HOSE fast zubekommen hast.
Zuhause sieht eben niemand, dass du sie nicht mal bis zu den Knien hoch bekommen hast.
Aber seien wir ehrlich.
Das Leben einer Frau ist hart. Entweder du bist eine skinny bitch oder du hast Brüste.
Und ja, ich rede es mir gerade ziemlich bequem, aber etwas Positives muss es doch haben.
Doch Ladies seien wir ehrlich.
Ja, ich habe zugenommen und ja, ich fühle mich dadurch sehr unwohl. Jedoch tatsächlich ist das nicht MEINE Wahrnehmung, sondern die Angst, von anderen so gesehen zu werden.
Heutzutage ist das Pendant zu „schön“ nicht „hässlich“; sondern „dick“.
Und genauso entstand der Blogtitel, als ich einen Facebookpost eines Ex-befreundeten Fotografens gesehen habe, in dem er geschrieben hat, wie schön es war endlich mal mit einem plus-size Model zu arbeiten. Genauso wie mit einem normalen Model. Gut, ich will die Büchse der Pandora nicht öffnen, wieso „mollige“ Models anscheinend keine „normalen“ Models sind. Denn der Punkt war, dass besagte Frau absolut schlank war und in meinen Augen (so oder so wunderschön) schmaler als der Durchschnitt Körpertyp Frau und eben alles andere als plus size. Dennoch wurde auch in den Kommentaren darüber diskutiert, dass auch „dicke Frauen hübsch sein KÖNNEN“. Und wenn besagtes Mädel dick war….muss ich wohl ein plus, plus, plus size Model sein.
Doch #fettesau ist aktuell ja einfach Trend. #plussize muss eben dabei sein, sonst ist man intolerant…aber nicht zu oft. Wird einem ja schlecht beim Betrachten der Dicken Weiber. Macht euch mal einen Smoothie oder kauft euch überteuertes Kokoswasser, um schön zu sein.
Und hier noch ein Diät-Typ!
Ich habe gehört heute verzichtet man auf Brot…soll ich mir jetzt das Nutella von der Hand lecken oder was?
Ps.: Die Bilder sind in Stockholm, Schweden entstanden und ich freue mich, euch endlich ein paar winterliche Bilder mit Schnee zu zeigen.